Was macht den Reitverein attraktiv? Vereinstagung im Reiterhaus Berlin – Willkommen im Weltcafé!

von LPBB

Foto: Grade

Was macht einen Reitverein für seine Mitglieder attraktiv? Was ist der unschätzbare Wert einer Mitgliedschaft in meinem Reitverein?

Am 1. November 2014 trafen sich zur Regionaltagung der ostdeutschen Landesverbände im Reiterhaus Berlin über 40 engagierte Vereinsmitglieder und –Vorstände und diskutierten zum Zukunftspotential der Reitvereine. Der Einladung des gastgebenden Verbandes Berlin-Brandenburg  folgten Pferdesportlerinnen und Pferdesportler, dabei auch Teilnehmer aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und   Thüringen. Die Geschäftsführerinnen Susann Krönert (Sachsen) und Nadja Worschech (Thüringen) hatten die Tagung schon im Vorfeld mitgestaltet. Heidi Hame (Sachsen-Anhalt) managte am selben Tag die Sichtung zum Nachwuchschampionat der Springreiter in Prussendorf und ließ sich auf der Tagung vertreten von Monika Thieme und ihren Kolleginnen.

Inhaltlicher Input kam zunächst von Veronika Rücker (Führungsakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes).

„Mitglieder im Reitverein haben gegenüber Kunden eines Unternehmens einen klaren Vorteil – sie dürfen mitreden! Die Möglichkeit sich einzubringen ist eine Chance, die mehr in den Vordergrund rücken muss. Es ist vor allem die Aufgabe der Vorstände, entsprechende Angebote zu schaffen, die Mitglieder zur Partizipation einladen und sie aus ihrer „Kunden-Rolle“ zu locken.“

Aktuelle und zukünftige Herausforderungen für den Pferdesport waren das Thema der Präsentation. Grundlage der Analyse boten die seit Jahren zu beobachtenden gesellschaftlichen Veränderungen sowie ausgewählte Daten aus dem Sportentwicklungsbericht Pferdesport.

Noch gelten die Mitgliederzahlen in den Pferdesportvereinen Ostdeutschlands als weitgehend stabil, doch die Gewinnung von neuen Mitgliedern, so ist sich Rücker sicher, erfordert in Zukunft mehr Aufwendungen.

Die Umfeldbedingungen des Vereins ändern sich, ob wir es wollen oder nicht.

Der Ausbau der Ganztagsschule, die demografische Entwicklung sowie eine verstärkte Sensibilisierung für den Tierschutz stellen neue Herausforderungen an den Verein. Positiv formuliert: Vereine, die sich drauf rechtzeitig einstellen, können zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit dem richtigen Angebot  richtig viele Punkte sammeln!

Die demographische Entwicklung ist dabei wohl einer der bedeutsamsten Trends mit großem Einfluss auf die Zukunft der Pferdesportvereine in Deutschland. Die Gesellschaft wird immer älter und somit wächst auch der Anteil von Mitgliedern 60+. Diese Zielgruppe verlangt jedoch nach einer angepassten Angebotspalette, inklusive geeigneter Schulpferde und Unterrichtskonzepte.

Der Pool der bis 15-jährigen hingegen, aus dem Vereine bislang ihren Nachwuchs beziehen, wird immer kleiner - abhängig von den einzelnen Regionen mehr oder weniger dramatisch. Aufgrund der geringer werdenden Anzahl von Kindern und Jugendlichen entsteht eine vermehrte Konkurrenz zwischen einzelnen Sportarten. Der „Faktor-Pferd“ verliert hierdurch nicht an Anziehungskraft, wird aber zukünftig nicht ausreichen, um das automatische Nachrücken junger Neumitglieder abzusichern. Hinzu kommt, dass Kinder und Jugendliche über immer weniger freie Zeit verfügen. Pferdesportvereine sind demnach gefragt ihr Angebot für entsprechende Altersgruppen passend zu gestalten und offensiv für die Vorteile der Mitgliedschaft in einem Reit- und nicht in einem Fußballverein oder gar in einem kommerziellen Anbieter, wie einem Tanzstudio zu werben.

Was bewegt die Mitglieder in den Pferdesportvereinen?

Auf diese Frage ging Katharina Wiegand vom Marktforschungsinstitut „Horse Future Panel“ ein. Sie präsentierte ausgewählte Ergebnisse aus der Befragung zur Situation der Reitvereine in Deutschland. Hauptgründe für eine Mitgliedschaft sind das Gemeinschaftsgefühl, das ein Verein vermittelt, sowie - ganz weit vorne - die Möglichkeit, den Verein mit zu fördern.

So lauten die Stimmen der befragten Vereinsmitglieder in Ostdeutschland. Erwartungsgemäß steht für die „Freizeitreiter“ das Naturerlebnis an erster Stelle, wohingegen der Wettkampfsport und die damit verbundene Jahresturnierlizenz die Turnierreiter automatisch an einen Verein binden.

Der Hauptgrund gegen eine Mitgliedschaft ist der fehlende, erkennbare Nutzen einer Mitgliedschaft. Es ist also die Aufgabe eines jeden Vereins, diesen Nutzen für sich zu klären und dann klar zu kommunizieren.

Denn eines steht fest:

65 % der Befragten im Osten Deutschlands  wären bereit (wieder) in einen Verein einzutreten. Sie suchen unter anderem gute Atmosphäre und Gemeinschaft, Lehrgangsangebote und Veranstaltungen, artgerechte Haltung der Pferde, Vielfalt der Disziplinen, Vereinspferde …

Und nun?

Konkrete Ansätze zur Mitgliedergewinnung und –bindung erarbeiteten die Teilnehmer in der Schlussphase der Tagung im intensiven Austausch miteinander.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass die besten Ideen sowieso am Rande von Tagungen beim Kaffeetrinken entstehen, wurde dies zur Methode „Worldcafé“ erklärt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sitzen in kleinen Gruppen am Tisch und sammeln Ideen. Auf die Tischdecke (hier: FlipChart) kritzeln ist ausdrücklich erlaubt!

Das Ergebnis: Eine Sammlung von Ideen und Anregungen (siehe Kasten) und die Erkenntnis, dass es für das Modell „Reitverein 2030“ kein Patentrezept gibt. Sehr individuell sind die Voraussetzungen der Vereine: Es gibt Vereine mit eigener Anlage. Vereine, die Gast sind auf einem kommerziell geführten Hof. Vereine in der Stadt, Vereine auf dem Land. Die Herausforderungen vor Ort, die Wünsche und Vorstellungen der Mitglieder und die äußeren Einflussfaktoren in den verschiedenen Regionen sind jeweils konkret zu berücksichtigen, wenn etwas Gutes sich entwickeln soll.

Und was macht einen Reitverein für seine JUNGEN Mitglieder attraktiv?

Gemeinschaft, Kommunikation, Gelegenheit zur Mitgestaltung

Der Cafétisch U27 war sich schnell einig und die ersten drei Aussagen kamen prompt: Ein guter Reitverein braucht gute Schulpferde, qualifizierte Trainer und ein breites Angebot. Geht es also nur ums Reiten? Natürlich nicht! Eine gute Atmosphäre im Verein und vor allem die Übernahme von Verantwortung wurden als wichtige Kriterien von der Runde U27 diskutiert. Dass sich nicht alle jungen Mitglieder gleichermaßen motiviert und engagiert ins Vereinsleben einbringen ist klar. Da hilft vor allem eines: Mit gutem Beispiel vorangehen. Wichtig ist es, Wünsche klar zum Ausdruck zu bringen.

„Häufig sind im Verein seit vielen Jahren immer dieselben Personen für viele Aufgaben zuständig. Sie beschweren sich dann, dass sich niemand von den „jungen“ mit einbringt. Wir werden aber auch selten direkt gefragt. Die „alten“ halten an ihren Ämtern fest, beschweren sich über wenig Engagement, bitten aber auch nicht konkret um Hilfe. Auf manche Dinge kommt man halt nicht von allein“, so die Aussage einer Teilnehmerin. Folglich sind eine vermehrte, offene Kommunikation und ein direkter Dialog, auch generationsübergreifend, von den Jugendlichen ausdrücklich gewünscht. Dass dieser zunächst mehr Aufwand bedeuten kann, als es einfach selbst zu machen, ist klar. Es ist jedoch ein Aufwand, der sich schnell auszahlt.  Um diesen Prozess wirkungsvoll voranzutreiben, ist ein Ansprechpartner für die Jugendlichen zu benennen, der oder die im Zweifelsfall auch bereit ist zu vermitteln und zu unterstützen. Diese Rolle kann zum Beispiel durch einen gewählten Jugendvertreter oder auch durch den Trainer wahrgenommen werden.

Eine Plattform für Kommunikation und ein Werkzeug zur Beteiligung ist das soziale Netzwerk Facebook. Der hier stattfindende Austausch verdient es, gleichberechtig neben anderen Kommunikationsformen wahrgenommen zu werden. Er schafft eine Vernetzung zwischen den Mitgliedern eines Vereins, die auf diese Weise vorher nicht möglich war und somit neue Türen öffnet, zum Beispiel wenn es darum geht über Entscheidungen demokratisch abzustimmen.

Die nach der Tagung durch eine Teilnehmerin neu eröffnete Gruppe „Reitvereine in Berlin und Brandenburg“ ermöglicht ab sofort allen Interessierten Usern sich im Netz aktiv zu Vereinsthemen, Projekten und Ideen auszutauschen.

Ein weiterer Faktor, der für die U27-Diskussionsrunde von Bedeutung war, ist die Bereitschaft von Trainern auf Ideen der Reitschüler einzugehen. Ideenreichtum im Unterricht, ab und zu mal einen Geschicklichkeitsparcours absolvieren oder Stangenarbeit statt Abteilungsreiten, das motiviert und lässt auch junge Reitschüler gern wiederkommen. Ein übergeordneter Wohlfühlfaktor, so waren sich alle einig, ist der Zusammenhalt in der Stallgemeinschaft. Gemeinsame Ausflüge auch ohne Pferd sollen das Reitprogramm ergänzen. So kann eine persönliche Bindung an den Verein entstehen, die möglichst langfristig währt.

 

Was macht Reitvereine für ihre Mitglieder attraktiv?

    • Veranstaltungen/Turniere/Reitertage
    • Gute Öffentlichkeitsarbeit (Flyer, Tag der offenen Tür)
    • Qualifizierte Trainer
    • Lehrgänge und Schnuppertraining
    • Weihnachtsfeiern, Sommerfest, Osterbrunch
    • Gemeinsame Aktionen und Ausflüge
    • Gute Kommunikation und kompetente Ansprechpartner
    • Vorstandssprechstunden
    • Freizeiten für Jugendliche und Erwachsene
    • Engagementförderung und Ehrung
    • Angebote für Eltern
    • Theorie spielerisch vermitteln
    • Pfleger-Teams für Schulpferde
    • Vereinskleidung

 

(Text: Nicole Schwarz, Lisa Bolte; Foto: Marietta Grade)

Zurück